Skip to main content Skip to page footer

Weltraum-Wirtschaft Auf dem Mond-Trip: Regionale Unternehmen heben ab

Sie testen Mondstaub oder bauen Rover, mit denen auf dem Mond künftig Straßen angelegt werden könnten: Die New-Space-Szene in der Region zählt rund 80 Unternehmen und ist gut vernetzt. Das ist ein entscheidender Vorteil. Von Anke Burmeister rbb24

Ein Pool, gefüllt mit scharfkantigem Staub – das ist Europas größte künstliche Mondumgebung. Frank Koch steht am Rand des Beckens. Er ist Chief Moon Operator der Berliner Firma PTS Planetary Transportation Systems, die diese Anlage in Rostock-Laage betreibt. Der Pool ist 17 Meter lang und fünf Meter breit, der Boden bedeckt mit circa 40 Zentimeter künstlichem Mondstaub.

Fast 400 Kilogramm Mondgestein gibt es auf der Erde. US-Amerikanische Astronauten und sowjetische Mondsonden haben es im letzten Jahrtausend auf die Erde gebracht. Deshalb ist bekannt, wie sich das Regolith zusammensetzt. In einem Bergwerk im Harz wurden dementsprechend 40 Tonnen Gestein abgebaut, extrem fein zermahlen. Nun liegen sie im Testbett von Rostock-Laage.
 

Mondumgebung zu vermieten

Zwischen 1.500 und 2.000 Euro Tagesmiete kostet diese künstliche Mondumgebung. Das Testfeld kann komplett abgedunkelt oder extrem beleuchtet werden, so wie auf dem Mond. Auch die fehlende Schwerkraft kann simuliert werden. Doch am wenigsten berechenbar sei der Mondstaub, das Regolith, das den Mond bedeckt und sich überall festsetzt, erklärt Koch. "Der krabbelt in jedes Getriebe." Kürzlich habe ein Kunde eine Rover getestet, der komplett von Innen versiegelt war - und auch den ganzen Tag durchgehalten hat. Doch am Ende des Tages haben die Tester ein Kilo Regolith in seinem Inneren gefunden.

Frank Kochs Firma PTS ist nur ein Beispiel für die New Space Economy, die mit der Kommerzialisierung der Raumfahrt und dem Boom des Weltraumtourismus wächst. Seit private Investoren in den Weltraum vordringen, entwickelt sich dieser Wirtschaftszweig auch in der Hauptstadtregion. Insgesamt gibt es in Berlin und Brandenburg rund 80 Unternehmen, die in diesem Bereich arbeiten. Das reicht vom kleinen Startup über Forschungseinrichtungen bis zum mittelständischen Unternehmen.

Menschen auf dem Mond brauchen Straßen

Auch Irene Selvanthan, Gründerin des Berliner Unternehmens Neuro-Space, hat in Rostock-Laage einen von ihrer Firma entwickelten Mond-Roover getestet. "Sollten irgendwann Menschen auf dem Mond leben wollen, muss dafür eine Infrastruktur aufgebaut werden. Also Straßen gebaut, ein Stromversorgung aufgebaut werden und so weiter", erklärt die Unternehmerin. Sie seien dann so etwas wie ein kleines Logistikunternehmen, das Sachen transportiert. Neuro-Space beschäftigt mittlerweile sieben Angestellte und nochmal so viele Studenten.

Eine Lupe bündelt das Sonnenlicht und soll das Mondgestein zu Keramik, Material für Straßen, Landebahnen oder Gebäude schmelzen.Bild: rbb/Anke Burmeister

Kleine, aber kreative Community in der Region

Berlin Partner, die landeseigene Gesellschaft zur Förderung von Wirtschaft und Technologie, hat eine Innovationsbeauftragte für Luft- und Raumfahrt. Marielies Becker hilft bei Fördermitteln, vernetzt, berät. Neben München und Bremen ist Berlin ein wichtiger Standort für die New Space Economy. Es gibt entsprechende Studiengänge an der TU Berlin und der Uni Potsdam. Die Charité beschäftigt sich mit Weltraummedizin und am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Berlin wird zu Raumfahrt und Verkehr geforscht.

Es fehle die große Industrie wie in München oder Bremen, doch das sei auch ein Vorteil, sagt Becker. "Die relativ überschaubare Community mit vielen jungen, sehr aufgeschlossenen Unternehmen ist gut vernetzt. Es gibt ganz enge Verknüpfungen zwischen Unternehmen und Forschung und zwischen den Unternehmen untereinander." Das sei gut für eine kreatives und kooperatives Arbeiten.

Durch den Boom immer mehr Weltraumschrott

Der im Bundeshaushalt vorgesehen Etat für Raumfahrt ist jedoch gesunken, kritisiert Professor Enrico Stoll, Leiter des Fachgebiets Raumfahrttechnik an der TU Berlin. "Wenn man sich die Raumfahrtbudgets anguckt, kommen wir in Europa weiter und weiter ins Hintertreffen", so Stoll. Was man hierzulande aber gut könne, sei aus dem wenigen noch möglichst viel rauszuholen. Auch die TU hat schon zahlreiche Satelliten im All platziert, meist über Unternehmen, die sich aus der TU ausgegründet haben.

Seit private Investoren in die Raumfahrt eingestiegen sind, sind die Transport-Kosten, etwa für Satelliten der TU Berlin, extrem gesunken - und zugleich ihre Zahl gestiegen: Über 7.500 Satelliten befinden sich zurzeit im Low Earth Orbit, also im Bereich zwischen 500 bis ungefähr 2.000 Kilometern Entfernung von der Erde. Ein Satellit hat eine Lebensdauer von maximal zehn Jahren und so wird der Weltraumschrott ein immer größeres Problem.

Recycling auf dem Mond

Die Privatisierung der Raumfahrt bietet nach Einschätzung von Marcus Schladebach aber auch eine Chance, die Frage des Weltraumschrotts rechtlich zu regeln. Schladebach ist Experte für Weltraumrecht an der Universität Potsdam. Nach Artikel 6 des Weltraumvertrags, so Schladebach, brauchen private Unternehmen eine Genehmigung für ihre Aktivitäten im Weltraum. "Diese Genehmigung staatlicherseits sollte nur dann an private Raumfahrtunternehmen erteilt werden, wenn man einigermaßen sichergestellt hat, dass sich auch mit der Frage der Vermeidung oder aber auch der Rückholung von Weltraumschrott beschäftigt wird." Das müsse in sogenannten nationalen Weltraumrechten geregelt werden.

Der Physiker Frank Koch, der in Rostock-Laage die künstliche Mondlandschaft betreut, könnte sich wiederum vorstellen, dass auf dem Mond eine Recycling-Anlage für Satelliten eingerichtet wird.

Bald auch Netz auf dem Mond

Silizium, Gold oder Platin werden auf dem Mond vermutet. Es geht um viel: der Mond als Rohstofflieferant, als Zwischenstation auf dem Weg zum Mars - oder als Recyclingstation. Drei Tage dauert die Reise von der Erde zum Mond und wahrscheinlich wird in zwei Jahren wieder ein Mensch auf dem Mond landen.

Noch in diesem Jahr könnte es eine Internetverbindung auf dem Mond geben. Die NASA und der Nokia-Konzern wollen ein 4G-Netzwerk auf dem Mond errichten. Dann könnten sich Mond-Rover miteinander verbinden, Bilder in Echtzeit auf die Erde schicken oder Menschen auf dem Mond nach Hause telefonieren.

Beitrag von Anke Burmeister